Man sollte denken, die Menschen seien im Urlaub entspannter als zu Hause, hier gibt es keinen Zeitdruck, man kann einfach in den Tag hineinleben, hat keine Verpflichtungen und kann sich entspannen. Heute Morgen jedoch haben wir wieder erlebt, dass die Angst zu kurz zu kommen, auch im Urlaub um sich greift.
Da öffnet um 9:00 Uhr der Lidl in unserem Ort auf Mallorca und auch wir stehen bereits auf dem Parkplatz, weil wir von Natur aus Frühaufsteher sind, nicht, weil wir Angst haben zu kurz zu kommen. Um 5 Minuten vor 9 kann man hier täglich beobachten, wie die Menschen (Touristen) aus ihren Autos aussteigen, sich einen Einkaufswagen schnappen, und schon vor der noch verschlossenen Tür ein Kampf um den besten Platz im Supermarkt entbrennt. Am ersten Tag war uns nicht klar, warum das so ist, wir vermuteten irgendein Schnäppchen beim Discounter, was unbedingt gekauft werden muss. Als die Türen aufgingen, und alle gleichzeitig auf eine Stelle zustürmten, wurden wir jedoch eines Besseren belehrt! Es war nicht der neueste Computer, der die Massen in Wallung brachte, es waren … die Brötchen! Die Brötchen! Ernsthaft. Man könnte meinen, es würde von jeder Sorte nur 5 Brötchen geben, und man müsse schnell sein. Dem war aber überhaupt nicht so. Die Brötchenregale quollen über und dennoch entbrannte ein regelrechter Kampf. Da wurde geschubst, gedrückt, gequetscht …für Brötchen!
Es gibt im Supermarkt außerdem Baguette, Toast, Brot, Knäckebrot für die halbe Insel und dennoch diese Szenen. Mir ist es schleierhaft und wir kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Da ist nichts mehr mit guter Kinderstube … hier gilt das Gesetz des Stärkeren. Aber warum? Was ist es, was die Menschen dazu treibt zu glauben, dass sie zu kurz kommen? Ist es ein kollektives Mangeldenken?
Die gleichen Szenen beobachten wir regelmäßig bei unseren Flugreisen. Da ist das Flugzeug gerade ans Gate gefahren, die angekommenen Passagiere noch nicht ausgestiegen, da springen die Menschen bereits auf, stellen sich in die Schlange, um die Ersten im Flugzeug zu sein. Was bringt mir das? Dafür nehmen Fluggesellschaften sogar Geld und nennen es „Priority Boarding“, was sich irgendwie wichtig anhört. Ich beobachte das Treiben regelmäßig und verstehe es einfach nicht. Da stelle ich mich freiwillig 30 Minuten in eine Schlange, um der Erste im Flugzeug zu sein, oder bezahle im besten Fall noch dafür, um anstatt mich am Gate bequem bewegen zu können mich in die engen Reihen zu begeben und dann dort zu warten, bis auch die Letzten das Flugzeug betreten haben? Selbst die Sitzplätze sind ja reserviert, also muss ich auch hier keine Angst haben, meinen Platz nicht zu bekommen.
Ebenso in diversen Clubanlagen, in denen schon Schilder aufgestellt werden müssen, dass man die Liegen nicht mit Handtüchern reservieren darf! Oder die Szenen an den Buffets auf Kreuzfahrtschiffen, bei denen sich erst um den ersten Platz am Buffet gekloppt wird und dann die Teller so voll beladen sind, dass man unmöglich alles essen kann, das Essen so aber davor gerettet wird, von jemand anderem gegessen zu werden.
Gibt es zu all diesen Situationen keine Alternativen? Gibt es am meterlangen Buffet keine Alternative, wenn die Kartoffeln leer sind? Ist es nicht möglich, dann Nudeln zu essen? Müssen selbst Kinder von Erwachsenen umgerannt werden, weil sie Angst haben nicht das zu bekommen, was Ihnen Ihrer Meinung nach zusteht?
Was ist das, was ganze Massen dazu treibt? Egoismus? Mangeldenken? Angst?
Den ganzen Tag schon versuche ich zu hinterfragen, was dahinter steckt und komme einfach nicht drauf. Ich glaube aber, dass wir alle, mich eingeschlossen, extrem im Mangel sind statt in Dankbarkeit. Mangel als Motivation für so viele Dinge in unserem Leben. Wir wollen immer mehr, gönnen dem Nachbarn sein Stück Fleisch auf dem Teller nicht … Anstatt dankbar zu sein, dass wir eine so große Auswahl an Brot im Supermarkt haben, dass uns Nahrung so einfach zugänglich ist, kloppen wir uns in der schönsten Zeit des Jahres um Brötchen! Das muss man sich wirklich mal auf der Zunge zergehen lassen.
Wieder ermahne ich mich selbst, dankbar zu sein. Dankbar hier sein zu dürfen. Dankbar gesund zu sein. Natürlich geht es immer noch größer, noch teurer, noch besser und natürlich kann auch ich mich morgen schon um 8:30 vor den Supermarkt stellen und meinen Besitzanspruch auf diverse Brötchen anmelden, aber warum? Das stresst doch auch unnötig.
Auch morgen werden wir die Szenen wieder beobachten und mit dem Kopf schütteln. Und auch morgen werde ich hinterfragen, was die Massen antreibt.
Wie ist es bei Euch? Stellt Ihr Euch als Erster in die Schlange beim Boarding? Steht Ihr morgens extra früh auf, um eine Liege am Pool zu bekommen?
Erzählt doch mal!
Liebe Grüsse
Anke
Ich finde sowas auch unglaublich als ich keine Baby habe, habe ich auch immer gefragt, warum die Leuten manchmal über 30 Minuten in die Schlange schon stehen 🤔….Mit den Handtücher auch aber es ist typisch ganz „begrenzt“ Menschen aber leider gibt’s vielen die so sich benehmt… Schöne Urlaub noch 🌻🌻🌻
Vielen Dank für Deinen Kommentar, habe mich sehr darüber gefreut :o)Ja, man kann darüber nur den Kopf schütteln leider.
Ich bin seit 13 Jahren aktives Mitglied in einer politischen Partei. Seit 13 Jahren erlebe ich dort den wiederkehrenden Kampf um die leckersten Brötchen namens Ämter. Ich staune genau wie Anke über dieses lächerliche Massenphänomen. ich frage mich immer wieder, warum sich die meisten Mitglieder, neben Beruf und Familie einen Pyrrhussieg nach dem anderen einfangen, nur um ein weiteres unbezahltes und oftmals undankbares ‚Ehrenamt‘ zu bekleiden, das außerhalb der Partei niemanden interessiert. Ich selbst bin seit Beginn an als Schriftführer in zwei verschiedenen Parteigremien aktiv. Ich mach es aus dem einzigen Grund, weil ich am liebsten schreibe. Wer das Amt des Schriftführers aus Prestige-Gründen ausübt, kann es gleich bleiben lassen. Es ist sogar ein konfliktanfälliges Amt, da sich Mitglieder manchmal falsch wiedergegeben fühlen. Zudem bin ich seit 9 Jahren stv. Vorsitzender eines Gremiums – außer dass ich wiederholt dazu gewählt wurde, spüre ich von diesem Amt absolut nichts.
Ich nehme die anderen Mitglieder nicht als Konkurrenten wahr, sondern für die meisten empfinde ich oft sogar Mitleid. Erst neulich hatten wir wieder eine Nominierungsveranstaltung für die anstehenden Kommunalwahlen – eine weitere lächerliche Konkurrenz-Arena, in der sich am Mikro einer nach dem anderen zum Affen macht („ich bin selbständiger Anwalt, bin verheiratet und habe 3 wundervolle Kinder“) -und wie viel von denen waren gewollt?
Gruß Stefan